Es ist so unwirklich

  • Wie vielleicht die meisten schon mitbekommen haben: meine Mutter ist am Sonntag ist Alter von 56 Jahren mehr als plötzlich verstorben.


    Ich weiß nicht, wie das so ist. Habe erst zwei Menschen verloren und eine Katze. Ich hatte und habe noch immer das Problem: für mich ist das so unwirklich. Nicht real. Bei Opa zum Er er ist seit fast 11 Jahren nicht mehr am leben. Und noch immer erwarte ich, dass er durch eine Tür hereinspaziert und einen seiner Witze macht. Bei Mutz (Katze) nicht anders. Da denke ich noch imme, wann sie von draußen wieder kommt, sie miaut und sich durch die Tor arbeiten will. Und nun bei meiner Mutter. Ich fasse es einfach nicht. Kann nicht greifen, dass ich sie NIE wieder sprechen, sehen oder anfassen werde.
    Und da fängt mein Selbsthass an. Hätte ich sie beim letzten Mal man bloß umarmen können. Aber nein, meine beschissenen Ängste vor Körperkontakt haben mir die letzte Möglichkeit genommen.


    Aber wie macht ihr das? Wie schafft ihr es zu begreifen, wenn jemand von euren Leuten gestorben ist? Sodass das bei euch im Herzen als auch im Kopf ankommt?


    Über Vorschläge wäre ich sehr dankbar.

    Die Therapie braucht uns, damit die Welt uns versteht. Und dadurch die Welt offener werden kann. Wir können die Welt nach vorne bringen. Die Welt kann uns nicht nach vorne bringen.

    (Axel)


    Ohne zu wissen, dass die Zeit gekommen ist, wirst du mich eines Tages nicht mehr wiedersehen.
    (Unbekannt)


    Begrenzt ist das Leben, unendlich die Ewigkeit.

    (Spruch vom Floristen)


    Der Kummer, der nicht spricht,

    nagt am Herzen, bis es bricht.

    (William Shakespeare)

  • Erstmal, mein aufrichtiges Beileid.
    Hatte das am Sonntag gar nimmer gelesen in deinem TB :halloweensigh:


    Mir ergeht es da immer wie Dir. Mir geht das auch nicht in den Kopf.... das dauert Wochen und Monate.
    Hoffe Du bekommst noch richtige Ratschläge. Drück Dich mal :trösten:

    Daß mir der Hund das Liebste sei, sagst du o Mensch, sei Sünde? Der Hund blieb mir im Sturme treu der Mensch nicht mal im Winde.


    (Franz von Assisi)

    🐕❤🐕

  • @Shadow80
    Danke. Es ist noch immer so unwirklich. Obwohl wir gerade vom Bestatter wieder da sind. Mehr dazu heute später am Abend/in der Nacht im Tagebuch.

    Die Therapie braucht uns, damit die Welt uns versteht. Und dadurch die Welt offener werden kann. Wir können die Welt nach vorne bringen. Die Welt kann uns nicht nach vorne bringen.

    (Axel)


    Ohne zu wissen, dass die Zeit gekommen ist, wirst du mich eines Tages nicht mehr wiedersehen.
    (Unbekannt)


    Begrenzt ist das Leben, unendlich die Ewigkeit.

    (Spruch vom Floristen)


    Der Kummer, der nicht spricht,

    nagt am Herzen, bis es bricht.

    (William Shakespeare)

  • Zitat

    habe noch immer das Problem: für mich ist das so unwirklich. Nicht real.

    Von dem, was ich darüber theoretisch weiß, ist das Unwirklichkeitsgefühl erst einmal eine normale Reaktion bei einem solchen Schock.
    Mit der Zeit „sollte“ es es dann zurückgehen, je besser die Verarbeitung ist.


    Sprich: du hast vermutlich nie die Möglichkeit gehabt, diese Verluste zu überwinden, zumal du ja beständig in einer mehr oder weniger ausgeprägten Dissoziation lebst, als Folge deiner Traumatisierung.
    Ich hoffe für dich, dass du mal Glück hast und schnell mit der Therapie bei einer menschlich und fachlich geeigneten Therapeutin beginnen kannst, damit sie dir helfen kann, auch diesen neuerlichen Verlust irgendwie zu verarbeiten.

  • Liebe @Traumchaos,
    in deinem Herzen werden verstorbene Tiere oder Menschen immer ihren Platz behalten. Sie haben Spuren in deinem Leben hinterlassen, gute und schwierige, die werden bleiben.
    Um den Tod zu begreifen, war es für mich immer wichtig, die Trauerphasen( nicht immer alle) bewusst zu durchleben.
    Zuerst ist es "normal", dass der Verlust verleugnet, nicht wahrgenommen wird.
    Dann kommen noch Phasen wie "Verhandeln", Wut auf den Verstorbenen, weil er einfach gegangen ist, Depression und letztendlich die Annahme des Verlustes.
    Oft verbietet man sich die Wut auf den Verstorbenen, weil sich das ja "nicht gehört ". Aber doch, man darf in der Situation wütend sein!
    Und wichtig war für mich immer das Weinen und traurig sein- nicht in Gegenwart anderer, aber allein.
    Ich hatte auch immer viele Schuldgefühle- hätte ich doch nur...!
    Da brauchte ich oft die Rückmeldung anderer, dass ich mir keine Vorwürfe machen brauch.
    Und irgendwann kehrte dann so eine Ruhe ein, etwas melancholisch.
    Der Verstorbene hat immer noch gefehlt, aber irgendwie war der emotionale Druck weg- es war ok.
    Ich wusste, dass er nie wieder kommt, aber der Schmerz darüber wurde weniger intensiv.


    Hm, keine Ahnung ob das nun hilfreich war, aber das sind so meine Erfahrungen.


    :umarmen:

  • Hallo,


    erst einmal mein aufrichtiges Beileid.


    Dass so etwas vor allem im ersten Moment unwirklich ist, ist glaube ich gar nicht so selten oder unüblich. Gerade wenn der Tod unerwartet und plötzlich war. Dann braucht das Zeit bis die Information so richtig ankommen kann. Das ist ja irgendwo auch ein Schutz, dass es nicht zu viel auf einmal ist und man vollkommen zusammenbricht.


    Ich habe zum Glück nicht viele Menschen verloren. Als eine Freundin von mir gestorben ist war ich noch sehr jung, das lässt sich wahrscheinlich schwer vergleichen. Aber das war lange Zeit vollkommen unwirklich. Aber gleichzeitig auch real. Real war es vor allem in den Momenten wo die Person dann eben nicht da war, wo sie eigentlich hätte sein sollen. Aber wenn die Person eh nicht da gewesen wäre, z.B. wenn ich eben zu Hause war, dann war es auch lange unwirklich und ich erinnere mich noch, dass ich manchmal gedacht habe ich fahre später mit dem Fahrrad zu ihr und dann fahren wir Rad zusammen.
    Inzwischen ist das ziemlich lange her, aber so ganz real ist das manchmal immer noch nicht. Manchmal habe ich eher das Gefühl, wie bei einer Person, die vielleicht einfach weggezogen ist.


    Bei einer weiteren Freundin von mir, die gestorben ist als ich schon älter, erwachsen war, war es am Anfang auch so. Das war erstmal vollkommen unwirklich. Und das obwohl es kein plötzlicher Tod war.
    Was mir da ein Stück weit geholfen hat glaube ich, war das bewusste "Abschied nehmen". Eine Beerdigung, oder auch einen Ort wo ich weiß, dass sie begraben ist. Ich bin niemand der häufig Verstorbene auf dem Friedhof besucht, eigentlich eher nie. Aber vielleicht kann dieses "Abschied nehmen" bei einer Beerdigung da hilfreich sein, wenn natürlich auch schmerzhaft.
    Auch bei anderen Personen war das bei mir dann glaube ich der Moment wo es wirklich real wurde, wo klar war, dass es kein Irrtum ist, dass die Person nicht wieder hereinkommt.



    Jetzt, wo der Tod deiner Mutter noch ganz frisch ist, finde ich es aber völlig in Ordnung und gar nicht ungewöhnlich, wenn es unwirklich ist. Lass dir die Zeit, dass das richtig bei dir "ankommen" kann.
    Belastet dich die Situation denn? Also nicht der Tod, das ist natürlich belastend. Das Gefühl, dass es so unwirklich ist? Oder ist das gerade vielleicht auch eher ok eigentlich?

    "Sometimes I remember the darkness of my past
    Bringing back these memories I wish I didn't have
    Sometimes I think of letting go and never looking back
    And never moving forward so there'd never be a past
    "
    (Linkin Park - Easier to run)

  • Danke erstmal für eure Antworten.


    @Sarai&andere
    Nein, die Möglichkeit hatte ich wirklich nicht.


    @Blue
    Ja, die leben im Herzen weiter, das stimmt. Nur: wenn ich einen Tag mal nicht an sie denke, habe ich immer gleich ein schlechtes Gewissen: „Du hast sie vergessen.“


    Ja, die Wut verbitte ich mir immer in der Tat. Weil es sich nicht „gehört“, auf Tote saue oder wütend zu sein.


    Die Vorwürfe sind auch bei mir da. Auch in einem anderen Fall. Da wurde es sogar bestätigt. Von daher denke ich grundsätzlich, dass es berechtigt ist, wenn ich mir Vorwürfe mache und dann im besten/schlimmsten Fall bestätigt zu werden.


    @Amalthea
    Ich kann nicht sagen, was mich momentan mehr belastet.

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    (Axel)


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    (William Shakespeare)

  • Es kommt mir noch immer wie ein schlechter Scherz vor. Als würden meine Mutter und ihr Mann nur einen makaberen Scherz machen und sie stehen jeden Moment vor der Tür mit den Worten „Überraschung".
    Aber schon allein der Termin beim Bestatter am Dienstag müsste mir gezeigt haben, dass ich sie für immer verloren habe.


    Darf man eigentlich wütend auf den/die Verstorbene/n sein, weil er/sie gegangen ist? Ich habe das Gefühl, dass ich das nicht darf. Aber momentan bin ich es.

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  • Zitat

    Darf man eigentlich wütend auf den/die Verstorbene/n sein, weil er/sie gegangen ist? Ich habe das Gefühl, dass ich das nicht darf. Aber momentan bin ich es.

    Darf man. Das ist bei plötzlichem Tod sogar eine normale, oft vorkommende Reaktion, selbst wenn die Beziehung vorher harmonisch war.

  • Ich würde diese Frage ebenfalls mit "Ja" beantworten.
    Und selbst, wenn man versuchen würde es sich zu verbieten, würde das wahrscheinlich gar nicht funktionieren, weil das Gefühl der Wut ja einfach da ist und nicht bewusst hervorgerufen wird.
    Und ich kann die Wut verstehen. Wenn man "zurückgelassen" wird und dann allein dasteht und nun schauen muss, wie man mit dem Verlust fertig wird, kann das wütend machen auf die Person die einen zurückgelassen hat. Auch wenn die Person das selbst vielleicht gar nicht beeinflussen konnte.

    "Sometimes I remember the darkness of my past
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    (Linkin Park - Easier to run)

  • @Sarai&andere und @Amalthea
    Danke für eure Einschätzungen. Das hilft mir etwas.

    Die Therapie braucht uns, damit die Welt uns versteht. Und dadurch die Welt offener werden kann. Wir können die Welt nach vorne bringen. Die Welt kann uns nicht nach vorne bringen.

    (Axel)


    Ohne zu wissen, dass die Zeit gekommen ist, wirst du mich eines Tages nicht mehr wiedersehen.
    (Unbekannt)


    Begrenzt ist das Leben, unendlich die Ewigkeit.

    (Spruch vom Floristen)


    Der Kummer, der nicht spricht,

    nagt am Herzen, bis es bricht.

    (William Shakespeare)

  • @Traumchaos,egal welche Gefühle Du hast - sie sind Alle vollkommen OK.Gefühle entstehen,können nicht vom Verstand ausgesucht werden,auch nicht von Deinem Selbstbewußtsein.Gefühle sind Emotionen,die einfach da sind,auch ohne Dich zu fragen.Sie fallen über uns her,scheissen auf logische Erklärungen,denn sie sind nicht logisch,folgen keiner Logik.Gefühle und Verstand können den Verlust eines geliebten Menschen nicht kompensieren.Soetwas müssen wir verarbeiten,egal wie qualvoll es ist.Ich habe gerade einen Menschen verloren,kann es kaum fassen,nicht begreifen.Aber mein Leben muß weitergehen,es ist niemals der Sinn eines sterbenden Menschen,daß Andere an seinem Tod zu Grunde gehen........... Fühle Dich in Deiner Not und Deinem Leid fest gedrückt,laß Deine Tränen laufen... :Ratte:

    Noch ist nicht aller Tage Abend

  • Danke @Ratte

    Die Therapie braucht uns, damit die Welt uns versteht. Und dadurch die Welt offener werden kann. Wir können die Welt nach vorne bringen. Die Welt kann uns nicht nach vorne bringen.

    (Axel)


    Ohne zu wissen, dass die Zeit gekommen ist, wirst du mich eines Tages nicht mehr wiedersehen.
    (Unbekannt)


    Begrenzt ist das Leben, unendlich die Ewigkeit.

    (Spruch vom Floristen)


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    (William Shakespeare)

  • Mein Beileid, Traumchaos.


    Mein Partner ist ja Anfang des Jahres leider gestorben und die Unwirklichkeitsgefühle kenne ich auch.
    Die Grenze, dass er nicht wiederkommen wird, habe ich aber auch gespürt. Aber ich habe in Therapie Jahre daran gearbeitet in den Körper zu kommen, (Körpergrenzen spüren zu können). Über Körperübungen, usw. Raus aus der Dissoziation, der Derealisation.
    Weiß nicht, ob es daran liegt.


    Am Tag der Beerdigung war es ganz schlimm mit der Unwirklichkeit.


    Ich habe das Gefühl mein Partner ist "noch da" - aber in einer anderen Welt.
    Mit Photos von ihm spreche ich ganz viel.
    Von einem Beerdigungsinstitut habe ich einen Newsletter abonniert, der ist gut aufgebaut und begleitet mich durch die Trauerphasen / tröstet.


    Das Gefühl jemand könnte noch jederzeit um die Ecke kommen, habe ich von anderen schon öfters gehört und gelesen.
    In der Auseinandersetzung mit dem Tod helfen mir Bücher von Monika Renz und Verena Kast, aber es gibt die verschiedensten (Trost)Bücher, auch mit Gedichten, usw.


    Zeit braucht es.
    Durch die Trauer zu gehen, nicht zu verdrängen. Immer wieder kommen noch Trauerschübe, aber es ist nicht mehr so schwer, wie vor einem halben Jahr. Loslassen geschieht auch in Etappen, ich glaube mit verarbeiteter Trauer, verarbeiteten Gefühlen wie Schuldgefühle oder: hätte ich doch noch - und gleichzeitig aber auch das Empfinden, die Zeit mit ihm geht nicht verloren.
    Ich versuche so gut es geht, nach mir zu schauen, auch zu schauen, was Trost sein kann.


    Kontakt mit Menschen, die ihn kannten hat auch geholfen.


    Lieben Gruß
    und wenn du magst
    Mary

    2 Mal editiert, zuletzt von Mary ()

  • Danke, für deine Antwort @Mary
    Das von deinem Partner hatte ich gelesen. Mir war allerdings nicht bewusst, dass das erst dieses Jahr war. Das tut mir sehr leid für dich.


    Mir hatten durchaus die Gespräche mit dem Bestatter und dem Trauerredner geholfen. Hätte ich nicht gedacht. Nun bin ich gespannt, wie die Trauerfeier wird. Auch wegen der Musik und der Rede und was die Familie dazu dann sagen wird.


    In zwei Wochen ist dann die Beisetzung. Mal schauen, wie unwirklich es dann noch immer ist. Und wie ich mich halte. Oder ob ich dann gänzlich zusammenbrechen werde…

    Die Therapie braucht uns, damit die Welt uns versteht. Und dadurch die Welt offener werden kann. Wir können die Welt nach vorne bringen. Die Welt kann uns nicht nach vorne bringen.

    (Axel)


    Ohne zu wissen, dass die Zeit gekommen ist, wirst du mich eines Tages nicht mehr wiedersehen.
    (Unbekannt)


    Begrenzt ist das Leben, unendlich die Ewigkeit.

    (Spruch vom Floristen)


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    (William Shakespeare)

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