Wie seht ihr eure Diagnose?

  • Hi ihr,


    ich wüsste gerne eure Meinung zum Thema psychiatrische Diagnosen.
    Je älter ich werde und je mehr ich mich mit diesem Thema auseinandersetze, desto willkürlicher, begrenzter und begrenzender empfinde ich die Schubladen, in die Menschen gesteckt werden.
    Von "oben" betrachtet ist doch die "Zugehörigkeit" zu einer bestimmten Gruppe Menschen mit derselben Diagnose auch nichts anderes als z.b. die "Zugehörigkeit" zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft oder einer musikdefinierten Subkultur etc.
    Eigentlich ist doch jeder Mensch ein einzigartiges Indivuduum, mir geht es nicht ein, dass bei etwas nicht-greifbarem, wie Seele und Gefühl von Erkrankung gesprochen wird.
    Ist es nicht einfach nur eine "Meinung" die jemand über jemand anderen hat...die der Arzt über mich hat, gebildet aus den Ideen und Gedanken derer, die Lehrbücher geschrieben haben aus denen er lernte. Die ihn unterrichtet haben, plus seiner eigenen Meinung dazu?
    Habe ich nicht genauso eine Meinung über meinen Arzt, gebildet aus dem aktuellen Erfahrungsstand auf dem ich bin?
    Und ist die "Normalität" anhand derer man meint bestimmen zu können, was annormal ist, krank, nicht auch eine gefälschte Statistik letztenendes?
    Wissenschaft und Forschung sind auch im psychiatrisch-psychologischen Bereich sich ständig weiterentwickelnde Theorien, die solange gelten, bis sie durch etwas anderes ersetzt, erneuert, bewiesen, widerlegt etc. werden. Was man ja auch gut am DSM-5 – Wikipedia sehen kann.
    Findet ihr das nicht auch irgendwie unfair?
    Versteht ihr, wie ich das meine?
    Vor allem vor dem Hintergrund, dass bisher jeder Arzt mit dem ich sprach von einer anderen "Erkrankung" bei mir ausging.


    Liebe Grüße
    honesty

    ...i've got the final judgement...

  • Ich hoffe niemand nimmt mir krumm, dass ich den Beitrag exhumiert habe :halloweenhappy:


    Also ich persönlich muss sagen, dass ich die Diagnosen welche mir im Verlauf meines Daseins gestellt wurden, definitiv überhaupt nicht für voll nehme. Mir wurden schon die skurrilsten Dinge angehangen, allem voran ADHS, was wohl kaum weiter von der Wahrheit entfernt sein könnte. Gleichzeitig nehme ich bei den zumindest teilweise zutreffenden Diagnosen, nicht die Schublade an, in die man mich stecken will. Ich bin mehr als eine Flasch mit der Aufschrift "depressiv". Das mag auch der Grund dafür sein, dass ich nur seltenst mit einer Personengruppe sympathisiere und zuallermeist mich mit den einzelnen Individuen beschäftige, was jedoch im Schnitt deutlich mühseliger ist. Nicht jeder der die gleiche "Krankheit" hat wie ich, ist automatisch Leidensgenosse oder gar Freund, so einfach läuft das nicht.


    Also zusammenfassend sollte ein jeder, der in die Kategorie der psychisch Erkrankten gefallen ist, sich darüber bewusst werden, dass es ein Verlust ist wenn man sich selbst in einem großen Maß über die Diagnosen, welche von Ärzten gestellt werden, definiert. Jeder ist individuell und jeder ist mannigfaltig, dieser Schönheit sollte Würde entgegengebracht werden.

  • ich wüsste gerne eure Meinung zum Thema psychiatrische Diagnosen.
    Je älter ich werde und je mehr ich mich mit diesem Thema auseinandersetze, desto willkürlicher, begrenzter und begrenzender empfinde ich die Schubladen, in die Menschen gesteckt werden.
    Von "oben" betrachtet ist doch die "Zugehörigkeit" zu einer bestimmten Gruppe Menschen mit derselben Diagnose auch nichts anderes als z.b. die "Zugehörigkeit" zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft oder einer musikdefinierten Subkultur etc.
    Eigentlich ist doch jeder Mensch ein einzigartiges Indivuduum, mir geht es nicht ein, dass bei etwas nicht-greifbarem, wie Seele und Gefühl von Erkrankung gesprochen wird.
    Ist es nicht einfach nur eine "Meinung" die jemand über jemand anderen hat...die der Arzt über mich hat, gebildet aus den Ideen und Gedanken derer, die Lehrbücher geschrieben haben aus denen er lernte. Die ihn unterrichtet haben, plus seiner eigenen Meinung dazu?

    Eigentlich hast du es m.E. nach schon direkt auf den Punkt gebracht. Es scheint mir das Erste mal zu sein, dass ich "denselben" Gedankengang zum Thema Diagnosen bei jemandem anderen wieder finde. Leider ist es nun einmal so, dass es überall sogenannte "objektive Töpfe" und Schubladen gibt, anhand die Gesellschaft eben versucht, andere Personen besser einschätzen zu können (auch wenn dadurch meistens nur ein recht oberflächliches "Bild" von einem entsteht und da wohl kaum noch wirklich differenziert wird....). Die Welt ist eben nun einmal so konstruiert, dass es überall entsprechende Stempel, aber auch Zugehörigkeiten und Gruppen gibt - also sich auch viele etwas selbst, wie soll ich sagen, "in einen Topf schmeißen" um als Individuum nicht mehr alleine sein zu müssen. Ich könnte jetzt noch etwas mehr ausschweifen, will hier aber nicht das eigentliche Thema verfehlen, auch wenn es zum Thema "Diagnosen" (da Diagnosen oftmals auch einfach nur reine Bezeichnungen und Schubladen sind) andockt.


    Ich habe beispielsweise zwei Diagnosen, welche nicht zusammen passen und von denen ich auch beide weiß, dass beides bei mir nicht vorhanden ist (gut, bei der einen Diagnose - das wäre Autismus - bin ich mir nicht ganz so sicher, auch wenn bei mir hier natürlich ebenfalls etwas Zweifel vorkommen) und die andere Diagnose, von welcher ich zu 100% weiß, dass es eine Fehldiagnose ist, ist "Borderline". Wer weiß, was Autismus und Borderline wirklich ist, wird fest stellen müssen, dass sich beide "Wesenszüge" miteinander widersprechen und eine solche Kombination d.h. auch recht selten auftretet... Vor ein paar Jahren als mir die Diagnose "Borderline" (glaube das war im Jahr 2016) erstellt worden ist, war ich leider noch nicht auf demselben Kenntnisstand wie heute, und habe diese Diagnose einfach so passiv hingenommen, oder es war mir damals auch einfach nur "egal" gewesen. Jetzt vor drei Jahren habe ich dann ein wenig damit begonnen, mein Leben einfach selbst zu analysieren (was mir letztendlich auch am sinnvollsten erscheint, da nur ich persönlich folgende Abschnitte in meinem Leben erlebt habe, und nicht irgendein Arzt, welcher mich als vollständige Person noch nicht einmal kennt, nicht dasselbe gefühlt oder erlebt hat, geschweige denn, nicht einmal dieselben Schuhe trägt) und habe daraufhin feststellen müssen, dass ich eigentlich in erster Linie ein Trauma von diesem ganzen Schwachsinn habe (naja, mehr oder weniger). Bestimmte Dinge in meinem Leben haben einfach dazu geführt, dass ich (vielleicht schon in ganz jungen Jahren) innerlich vollständig dicht gemacht habe und bei mir irgendwann die Wut übergekocht ist (was ja einmal gerne als "impulsives Verhalten" abgetan wird - und dann kommt schon gleich die Schublade: Borderline).


    Ja, es ist eigentlich nicht fair (und auch nicht logisch oder rational) wenn sich ein dir wildfremder Mensch, welcher für seine "eigentliche Arbeit" (dir zu helfen) bezahlt wird, im nach hinein dann aber auch erlauben darf, dich mit deiner eigentlich doch recht komplexen Geschichte, die du hast, entsprechend ab stempeln zu können (es sei denn du findest dich dann selbst in der Diagnose wieder - aber falls dem nicht so ist, ist es einfach nur ein Stempeldruck, den man dir eben verleiht hat, weil ein offensichtliches "Handbuch" wieder der universelle Maßstab und Wegweiser für alles ist (weshalb ich mich über meine Falschdiagnose auch nicht zu wundern habe).


    Dementsprechend ambivalent ist dann natürlich auch, dass so etwas Misstrauen im Betroffenen auslöst und er die "Therapie" d.h. auch irgendwann wieder abbricht, da der Arzt ja sowieso alles besser weiß. Eigentlich ist die ganze Welt ein Widerspruch in sich, jeder hat sich irgendwo in so einem "vorgekauten Denken" verloren, und daraus werden dann eben auch psychologische Diagnosen konstruiert, welche sich auch nur an irgendwelchen Fachbüchern stützen, und dann frage ich mich, worauf sich dann das Fachbuch stützt etc. Ich sehe es letztlich einfach so, dass diese ganzen Diagnosen nur allgemeine "Antworten" oder Hinweise auf etwas sind, woran man dann eben entsprechend nach der beschriebenen Symptomatik (also eigentlich genauso ähnlich wie bei diesen ganzen, psychologischen Onlinetests) analysieren kann, ob es auf einen zutrifft oder nicht - und das erledigt dann eben der Arzt für einen, nicht man selbst, da man ja keinen finanzierten "Arzttitel" für trägt, ansonsten könnte ich mir jetzt einfach selbst irgendeine Diagnose geben, wird dann allerdings weniger ernst genommen, obwohl es umso logischer wäre.


    Ich finde, dass du mit dem was du geschrieben hast schon richtig liegst. Vieles basiert im nach hinein eigentlich nur auf die Meinung des Arztes - aber Meinungen können genauso verschieden sein wie die Patienten, welche bei ihm erscheinen. ^^


    Ich habe zum Beispiel auch ganz von solchen Themen abgesehen (also ich bezeichne mich weder als wirklich "psychisch krank" noch als "Autist" - es sei denn ich wüsste es wirklich) und betrachte mich in erster Linie einfach als vollständiges, allgemeines Individuum, ohne dabei irgendwelche "Anteile" meiner Person (es sei denn es trifft wirklich auf mich zu) irgendwelchen Schubladen oder "Titeln" unter zu ordnen. Sowieso ist für eine noch wirklich ernsthafte Diagnose mit tatsächlichen Zusammenhängen man selbst als umfangreiches Individuum die entsprechende Grundbasis, und kein "Fachbuch". Oder wie soll ich es sonst noch schreiben: Das Individuum persönlich ist das Fachbuch, an welchem sich der Arzt richten sollte, nur machen das leider entsprechend wenige.

    2 Mal editiert, zuletzt von Sindrokaine ()

  • mir geht es nicht ein, dass bei etwas nicht-greifbarem, wie Seele und Gefühl von Erkrankung gesprochen wird.


    Ist es nicht einfach nur eine "Meinung" die jemand über jemand anderen hat...die der Arzt über mich hat, gebildet aus den Ideen und Gedanken derer, die Lehrbücher geschrieben haben aus denen er lernte.

    Es ist wie eine Auswertung oder Kategorisierung, wie der betreffende mensch funktioniert (innerlich schaltet, sich verhält, worin seine "Fehler" liegeN) und daraus zieht sich, wie man mit ihm umgehen sollte - und wie bei allen Dingen die Menschen tun und sich gegenseitig analysieren auch, wie man mit ihm umgehen WIRD:


    Mit einem Mädchen gehen menschen automatisch anders um als mit nem Jungen, eine Schwarze Person wird anders als eine weiße wahrgenommen, einer kleinen wird anderer Respekt entgegengebracht als einer großen, etc. Wenn der Fach mann weiß, die Person hat ne Schizophrenie, ist das für ihn ne Ansammlung Daten (Siehe "Wie man mit ihm umgehen sollte) und wenn die Bevölkerung es weiß, dann hat sie in der REgel durch Halbwissen Schiß (Siehe: Wie man mit ihr umgehen wird)


    Meine DIagnosen waren alle ganz gut überlegt, allerdings, weil das allein noch nichts bedeutet, waren sie dennoch fast alles Fehldiagnosen.
    WAhrscheinlich bin ich sowas TOlles, so selten, daß man es weniger in psychiatrischen Lehrbüchern, denn in religioesen Schriften und sehnsuchtsschmachterfüllten Gedichten findet <3

  • Mein Therapeut meinte dazu: "Eine Diagnose würde ihrer Komplexität und ihrem wundervollen Charakter nie gerecht werden können."
    Aber wir brauchen nunmal welche, damit die Kasse die Therapie zahlt...


    Und ehrlich: wer verwendet seine Diagnosen nicht gelegentlich als praktische Ausreden? :Halloweenwink:
    Gerade das mit dem ADHS kam mir sehr gelegen...

  • Ich identifiziere mich total mit meiner Diagnose. Ich bin Borderline! Sie ersetzt irgendwie die Leerstelle in meiner Identität. Weil ich nicht genau weiß, wer ich bin, kam sie mit gerade recht. Ich weiß, ich bin mehr als meine Diagnose, aber ich will sie nicht loslassen. Ich wurde einfach so lang unter einer falschen Diagnose behandelt, und ich fühle, jetzt hab ich die richtige. Ich kann sie gut als Ausrede benutzen und mich auch aus der Verantwortung ziehen: Ich bin nicht allein schuld an meinen Fehlern. Ich trage sonst ziemlich schwer an diffusen Schuldgefühlen und mache mich für alles verantwortlich.

    Hoffen wider alle Hoffnung, glauben, dass es dennoch weitergeht...


  • Ich identifiziere mich total mit meiner Diagnose. Ich bin Borderline! Sie ersetzt irgendwie die Leerstelle in meiner Identität. Weil ich nicht genau weiß, wer ich bin, kam sie mit gerade recht.

    So weißt du, woran du mit dir selbst bist. MAnchmal füllt einen was negatives positiv aus :)

  • @Elektrohexe ach komm, das "Schizotyp" ist doch eine sehr nette Ausdrucksform von "du hast einfach ein an der Waffel!". Findest nicht daß es eigentlich sehr hübsch passt? :gehässig::flitzen:


    (Für das fou... :kopfnuss: )

    Aber fou :D
    Das geht doch nich. Alles muß seine Richtigkeit haben.


    HEHEHE. Ich weiß doch.
    Ich habe heiße Kirschen auf der WAffel.
    Schlag mich fester, ich mag das Echo in meiner Hohlbirne <3

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