Liebe Elsi,
unsere Beziehung war nie einfach. Ich lernte dich als alten Kater kennen, der immer unter meiner Wohnung im Vorgarten miaut hat. Manchmal sah ich dich auch und streichelte dich ein wenig. Manchmal bist du ins Treppenhaus hineingehuscht und ich musste dich wieder hinausbringen, weil du nicht mehr stubenrein warst und ich sonst von deinen Besitzern eine Predigt erhalten hätte.
Du hast diese Welt, vermutlich zwischen Sonntag und Montag, dem 13 und 14. August 2017, verlassen. Eine Nachbarin aus dem Block fand dich bei der Hintertür ihres Hauses. Sie suchte deine Besitzer aber sie waren nicht da. Ich kam stattdessen hinzu und sie sagte mir, dass sie dich gefunden hat. Ich fand dich dann auch tatsächlich dort liegen und dem Zustand deines Körpers zu urteilen, musstest du schon ein paar Tage diese Welt verlassen haben.
Ich ging in meine Wohnung und holte Arbeiterhandschuhe. Im gemeinsamen Keller fand ich deine Kuscheldecke, auf der du immer geschlafen hast. Ich habe beschlossen, dich in ihr zu beerdigen und so packte ich deinen Körper ein und brachte ihn in den Garten deiner Besitzer. Ich habe dir einen schönen Platz für deine letzte Ruhestätte ausgesucht und dich um 16:30 in etwa 40 cm Tiefe begraben. Ich werde dir im Laufe der nächsten Tage noch einen kleinen Grabhügel bauen, ein Kreuz und einen Blumenkranz aufstellen.
Ich habe danach gleich deine Besitzer angerufen und sie unterrichtet, was vorgefallen ist. Leider sind sie auf Urlaub und kommen erst im September zurück. Ich denke aber, dass ich ihren Wunsch, dich respektvoll und mit Würde beizusetzen, erfüllt habe. Heute am Abend, wenn die Sonne untergeht, werde ich dich nochmal besuchen und für dich auf meine Weise beten.
Wie gesagt…wir hatten nie viel miteinander zu tun gehabt aber mein Handeln zeigt mir, dass ich vor dir genauso viel Respekt habe, wie wenn du mein eigener Kater gewesen wärst. Nicht nur du, sondern jedes Lebewesen verdient den notwendigen Respekt und ein Anrecht auf die letzte Ruhe. Freilich kann niemand dieser Utopie gerecht werden und wir sind halt auch nur soziale Menschen und Wesen, wir bauen emotionale Bindungen zu anderen Menschen und Lebewesen auf und gedenken an sie.
Weißt du…dein Tod hat auch mich zum Nachdenken animiert. Du wurdest sehr alt für einen Kater…15, 16 oder sogar mehr Jahre bist du alt geworden. Ich weiß das gar nicht genau aber du gehörtest auf jeden Fall zu den ältesten Semestern unter den Katzen und das sah man dir an. Schau mich an…ich bin für ein humanoides Wesen sehr jung und denke tagtäglich über Suizid nach. Aber was bedeutet der Tod für uns wirklich, wenn er uns mit seiner Präsenz umgibt? Niemand möchte, dass eine geliebte Person stirbt…oder ein geliebtes Tier. Das Leben bietet so viele Chancen, die man nutzen kann. Schau dir die andere Nachbarskatze an, die Mike. Sie hat ein deformiertes Bein, 3 sind gesund und sie kämpft sich tapfer durchs Leben – sie jagt, sie schnurrt, sie schläft, sie kuschelt…das ist eine echte Wildkatze, die das Beste aus ihrem Leben macht. Ich werde dich nicht vergessen. Du warst immer da, hast immer unter meiner Wohnung im Vorgarten miaut und du hast alle Chancen, die dir das Leben geboten hat, bis zum letzten Atemzug genossen.
Ruhe in Frieden, du hast es dir verdient.