Beiträge von Caedys

    Wieso sollte jemand "für mich" da sein, wie kann man auf die Idee kommen, solch einen Anspruch zu stellen? Ich finde den Gedanken befremdlich.

    Nachvollziehbarer Denkansatz, den ich im Kern echt gut finde. Man kann es nicht erwarten, dass irgendwer auf dieser Welt (nur) für andere / einen selbst existiert.


    Dennoch ist es schön, wenn es Menschen gibt, die einem den Rücken stärken und nicht nur solche, die einem in den Rücken fallen. Ich durfte bisher eher die zweite Kategorie erleben. Und daher bleibt es dabei: Wenns wirklich drauf ankommt, kann ich mich nur auf mich selbst verlassen.

    Das Thema begleitet mich (un)gewollt auch schon viele Jahre.


    Meine Eltern - vor allem meine Mutter - üben da sehr viel Druck auf mich aus und machen keinen Hehl daraus, dass sie sich Enkelkinder von mir "erwarten". Ich weiß nicht wie oft ich in den 12 Jahren mit dem Ex darauf angesprochen wurde, wie lange wir uns noch Zeit mit Hochzeit und Kindern lassen möchten und wann es endlich soweit sei usw. Dabei muss man aber leider auch sagen, dass meine Eltern mich nach wie vor als ihr "Vorzeigekind" idealisieren und meine psychischen Erkrankungen zumeist ignorieren oder bestenfalls kleinreden.


    Ich selbst bin mir meiner Krankheiten sehr bewusst. Und daher in Sachen Kinderwunsch extrem zurückhaltend. Ich sehe ja, welche Auswirkungen "unnormale" Familienverhältnisse auf ein Kind haben. Habe es am eigenen Leib erlebt, kenne es aus den Geschichten meiner Eltern aus deren Kindheit und ich sehe es auch an meiner Nichte, die in einer sehr fragwürdigen Beziehung zwischen meinem Bruder und seiner psychisch kranken Freundin aufwächst. Das Kind ist ein Sonnenschein und sehr lieb und fröhlich. Dennoch mache ich mir so meine Gedanken, wie die Kleine sich entwickeln wird, wenn sie älter wird und die Probleme ihrer Mutter mitbekommt.


    Ich habe auch meine Zweifel, ob ich "Muttermaterial" bin. Als Elternteil sehe ich mich auch in einer Vorbildrolle. Ich muss dem Kind Werte vermitteln können, es ermutigen, trösten usw. Und oft scheitere ich ja schon an mir selbst. Wenn ich für mich selbst zu schwach bin, wie soll ich dann für die Verantwortung für ein neues Menschenleben stark genug sein?
    Auch der Erbfaktor macht mir Angst. Depressionen ziehen sich bei uns durch alle Generationen. Und auch wenn Suchtkrankheiten per se nicht vererblich sind, so ist es zumindest die Anfälligkeit dafür irgendwie doch, denn auch Alkoholiker und sonstige Drogenabhängige finde ich in so ziemlich jeder Familie aus dem Verwandtenkreis. Ich habe miterlebt, wie meine Eltern ihr Leben für den ältesten Bruder und seine Eskapaden geopfert haben. Wie die Verantwortung niemals geendet auch. Auch heute nicht, wo er nun bald 40 Jahre alt wird. Ich sehe, was es mit ihnen gemacht hat, wie vor allem meine Mutter unter den Vorwürfen an sich selbst zerbrochen ist. Will ich mir das selbst auch antun?


    Dann kommt noch der Punkt dazu, dass ich nicht gerade scharf drauf bin das Modell alleinerziehende Mutter zu leben. Und ich muss ehrlich sagen, dass Beziehungen erfahrungsgemäß schwer sind und irgendwo zumeist permanente Baustellen. Und ich fühle mich nicht wohl bei dem Gedanken, in so eine Baustelle ein Kind rein zu setzen und es der Gefahr auszusetzen, dass irgendetwas auf dieses unschuldige neue Leben herunter krachen und es beschädigen könnte. Da müsste schon eine extrem stabile Partnerschaft zustande kommen, dass ich mich auch nur ansatzweise sicher genug fühlen würde, um in Richtung Kinder zu denken. In den 12 Jahren mit dem Ex hat das zum Beispiel nie funktioniert. Ich liebte diesen Menschen. Aber die Vorstellung von ihm als Vater? Selbst wenn ich es versucht habe konnte ich dazu kein Bild in mir heraufbeschwören. Es passte einfach irgendwie nicht. Und ich möchte auch nicht, dass der Vater nur "der Mensch, der das Geld heim bringt" ist. Denn so habe ich es weite Teile meiner Kindheit erlebt. Mein Vater war leider immer schnell dabei wenn es darum ging uns Kinder mit hohen Erwartungshaltungen auf Leistung zu trimmen. Aber in Sachen emotionaler Fürsorge und Geborgenheit zu vermitteln hat er häufig durch Abwesenheit geglänzt. Auch das ist für ein Kind sehr prägend und hat auch mich und meine Geschwister geprägt.


    Es muss / sollte sehr genau durchdacht sein, ob man das wirklich auf sich nehmen kann und möchte. Wenn ich mich ganz "neutral" hinsetze und denke "Stell dir mal dein Leben in 30 Jahren vor... was siehst du?", dann würde ich schon sagen, dass mir das Bild von mir als Oma im Park mit Kind und Enkelkind besser gefallen würde als das Bild von mir als alte Frau allein auf einer Parkbank beim Tauben füttern. Aber das allein ist nicht ausschlaggebend.

    Ich kenne mich vor lauter..so sein,wie andere es gerne hätten, oft selbst nicht wieder.

    Das kenne ich leider auch viel zu gut. Ich hab den Großteil meines Lebens für andere gelebt und nicht für mich selbst. Das hat sich so weit ausgebreitet, dass ich sogar wirklich Schwierigkeiten damit habe, mich selbst zu definieren. Ich kenn mich quasi selbst kaum, weil ich immer damit beschäftigt war die Erwartungen von irgendwelchen Menschen in meinem Leben zu erfüllen. Das Ganze ist mir jetzt die letzten 1,5 Jahre massiv auf die Füße gefallen. Und jetzt irre ich in den Trümmern herum und versuch irgendwie aus dem was übrig ist ein neues Selbstbild aufzubauen, dass nicht von den Ansprüchen Dritter dominiert, sondern mir selbst gerecht wird.


    Die Maske ist mir auch sehr vertraut. Selbst meine Therapeutin fiel anfangs darauf herein und war verblüfft, wie groß die Diskrepanz aus dem Außen und dem Innen ist. Sturer Selbstschutz, ein nackter Kampf ums Überleben. Bloß keine Schwäche zeigen. Was passiert wenn die Maske fällt und man das sieht, was dahinter liegt? Nun... ich für meinen Teil befürchte, dass man dann der Stigmatisierung als "krank" ausgesetzt ist. Viele Menschen haben ein Denken aus dem Mittelalter was psychische Krankheiten angeht und leben dieses sehr offen und feindseelig aus. Ich für meinen Teil habe die meiste Angst vor Mitleid. Das macht mich rasend. Ich hab eine Menge Scheiße durch und weiß Gott genug Macken und Probleme. Aber Mitleid will ich keines. Ganz im Gegenteil, ich würde gerne mal sehen, was mit vielen dieser Menschen, die sich über psychisch kranke auf ein Podest erheben und mitleidig den Kopf schütteln, passieren würde, wenn sie den ganzen Scheiß durchstehen hätten müssen, den manch einer hier im Forum oder draußen in der Welt erleben musste. Wie viele von diesen "perfekten Gutmenschen" hätten längst aufgegeben, weil es ihnen zu viel gewesen wäre und wären nun gar nicht mehr hier?


    Ja, ich hab meine Probleme und Makel - beides mehr als mir lieb sein kann. Aber ich bin noch da! Ich hab überlebt! Mich nicht klein kriegen lassen, mich nicht gebeugt. Und darauf bin ich ein stückweit auch stolz. Es war nie leicht, es wird nie leicht sein... aber es ist zu schaffen.


    Zwischenzeitlich habe ich auch gelernt offener mit mir selbst umzugehen. Und der Weg da hin war extrem lang und hart. Ich versuche nicht mehr um jeden Preis, meine Depressionen usw. zu verheimlichen und mir nichts anmerken zu lassen. Oft sogar drehe ich den Spieß um und bringe es offen zur Sprache. Es ist eine Krankheit, ja. Aber ich hab sie mir weder ausgesucht noch muss ich mich dafür schämen. Und bevor ich Leute in mein Leben lasse und sie über Monate und Jahre eigentlich nie mich sondern nur die Maske kennenlernen und erleben, zeige ich ihnen mittlerweile sogar lieber direkt die "unschöne Wahrheit". Wenn sie engstirnig sind, schreckt es sie ab. Und ich kann mir die Mühe sparen diese Menschen kennen zu lernen und vielleicht sogar Vertrauen aufzubauen. Wenn sie was taugen, dann versuchen sie es zu verstehen oder zumindest zu akzeptieren und mich nicht auf eine Krankheit und meine "Mängel" zu reduzieren. Und dann hat man eine gute Basis gefunden, auf der man weiter aufbauen kann. Generell habe ich aber auch aufgegeben auf Teufel komm raus sozial sein zu wollen / müssen. Nicht jeder braucht das und nicht jeder ist dafür geschaffen stets und ständig von Menschen umringt zu sein. Und ich finde meinen Seelenfrieden einfach eher, wenn ich für mich bin. Ich lasse Leute in mein Leben soweit es mir möglich ist und mich nicht überfordert oder schädigt. Aber ich erzwinge nichts mehr.

    ... wie ich so unfassbar dumm sein konnte...


    ... warum es mir so schwer fällt mich sicher zu fühlen...


    ... ob ich jemals davon los komme mich als nicht gut genug / unwürdig oder Last für meine Mitmenschen zu sehen.

    "Everyone is filling me up with noise, I don't know what they're talking about. See, all I need is a whisper - in a world that only shouts!"

    Es kommt mir vor, als wäre ich Sisyphos und mein Leben der riesige Stein, den ich in die richtigen Bahnen zu lenken versuche. Aber irgendwie rollt er mir immer wieder davon und ich muss mir einen anderen Weg suchen... Ein wirkliches Vorankommen fehlt... als ob ich immer einen Schritt nach vorn und wieder einen Schritt zurück mache... kein Stillstand - und doch bewegt sich nichts!