Das Sterben eines Freundes

  • Ein Freund von mir, den ich seit 2000 kenne, erkrankte 2016 an Leukämie.

    Nach Krankenhausaufenthalten war alles wieder stabil

    und er lebte ohne Einschränkungen die nächsten Jahre weiter.

    Vor ca 1 Mon gabs einen heftigen Rückfall und es wurde entschieden,

    daß nur noch eine Knochenmarkspende helfen kann.

    Spender wurde vor 2 Wochen auch gefunden.


    Leider stellte sich nun heraus, daß der Körper dagegen rebelliert

    und das so heftig, das die Nieren versagten und er ins künstliche Koma versetzt werden musste.


    Vor 1 Stunde rief mich seine Freundin an,

    (die beiden sind ein Paar seit 1998)

    und meinte, die Ärzte haben ihr heute beim Besuch leider sagen müssen,

    daß es keine Hoffnung mehr gibt, und laut Patientenverfügung

    nächste Woche die Lebenserhaltenden Maßnahmen eingestellt werden.


    Die erste Frage die mir sofort in den Sinn kam:

    Werden seine Eltern und sie bei ihm sein, wenn DAS geschieht?

    Sie sagte NEIN, keiner von ihnen „kann das“ .


    Für mich persönlich ist es unglaublich wichtig zu wissen,

    daß er im Moment des Todes nicht allein ist.

    Auch würde es mir im Trauerprozess helfen.


    Sie will morgen mit den Ärzten telefonieren,

    und nachfragen, ob es ok ist, wenn die „beste Freundin“ von ihm da ist,

    wenn er für immer geht.


    Und nun versuche ich zu verstehen, wie es sein kann,

    das man nicht dazu in der Lage ist,

    einen geliebten Menschen, und den eigenen Sohn in den Tod zu begleiten.

    Welche Argumente kann es geben, ihn allein sterben zu lassen?

    Ich bin nur ne gute Freundin, und ich könnte nicht damit leben,

    mich bewusst dazu entschieden zu haben, ihn allein sterben zu lassen.


    Ich würds so gern verstehen,

    Dieses „nein das kann ich nicht“ ist für mich kein Argument.

    Das macht mich grad wirklich total verrückt.


    Kann mir irgendwer verständlich machen,

    warum Menschen so entscheiden? :Halloweenwondering:

    Wenn die Menschen mehr über den Tod wüssten,
    wäre die Erde ein verwaister Ort.

  • Die Nachricht ist unfassbar hart und nicht zu beschreiben, wie das Gefühl ist.


    Auf deine Frage: hmm…ich würde sagen, dass sie es nicht können, ihn gehen zu lassen. Und es ihnen somit lieber ist, wenn sie nicht dabei sind. Damit sie ihr Schmerz nicht vollends dort dann womöglich noch körperlich ohnmächtig werden lässt.

    Vielleicht haben sie auch Angst, noch gegen die Patientenverfügung im letzten Moment zu versuchen vorzugehen?

    Das kann, außer den betreffenden Personen, niemand genau sagen.


    Dein Mut, deinen besten Freund hinüber begleiten zu wollen, ist wahnsinnig toll. Trotz dieser Umstände muss man das wirklich sagen.


    Für die nächste Zeit viel Kraft und ja…es tut mir sehr leid wegen dieser sehr traurigen Nachricht.

    Die Therapie braucht uns, damit die Welt uns versteht. Und dadurch die Welt offener werden kann. Wir können die Welt nach vorne bringen. Die Welt kann uns nicht nach vorne bringen.

    (Axel)


    Ohne zu wissen, dass die Zeit gekommen ist, wirst du mich eines Tages nicht mehr wiedersehen.
    (Unbekannt)


    Begrenzt ist das Leben, unendlich die Ewigkeit.

    (Spruch vom Floristen)


    Der Kummer, der nicht spricht,

    nagt am Herzen, bis es bricht.

    (William Shakespeare)

  • Danke Traumchaos für Deine Erklärungsversuche.


    Du sagst ich sei mutig mit der Entscheidung ihn zu begleiten.

    Ich sehe mich da eher als der Freund,

    der immer da war, und somit auch jetzt da sein wird.

    Meine Freundschaft musste er nie in Frage stellen,

    und deshalb ist es selbstverständlich, daß ich ihn auch jetzt nicht allein gehen lasse.

    Wenn die Menschen mehr über den Tod wüssten,
    wäre die Erde ein verwaister Ort.

  • Nebelwesen Toll was du da tun willst für deinen Freund. Es ist nicht selbstverständlich was Du da tust.

    Ich wünsche Dir für den Weg ganz viel Kraft.

  • Ja, ich verstehe deinen Standpunkt. Dennoch wäre dieser nicht für alle so eindeutig klar und sicher. Und eben deswegen eben, weil du ja auch nicht ohne Grund hier sein wirst: dennoch mutig. Genügend andere Menschen würden in dieser Situation nicht so handeln.


    Dein bester Freund weiß, dass du an seiner Seite sein möchtest. Und er weiß, warum er dich ausgesucht hat. Aufgrund deiner Loyalität und deiner Verbundenheit.

    Die Therapie braucht uns, damit die Welt uns versteht. Und dadurch die Welt offener werden kann. Wir können die Welt nach vorne bringen. Die Welt kann uns nicht nach vorne bringen.

    (Axel)


    Ohne zu wissen, dass die Zeit gekommen ist, wirst du mich eines Tages nicht mehr wiedersehen.
    (Unbekannt)


    Begrenzt ist das Leben, unendlich die Ewigkeit.

    (Spruch vom Floristen)


    Der Kummer, der nicht spricht,

    nagt am Herzen, bis es bricht.

    (William Shakespeare)

  • Ich denke, es sind vielleicht verschiedene Gründe.


    Die ANgst vor dem Moment, wenn das Leben aus dem Körper des Menschen geht, den man liebt. Wenn die Hand die man hält kalt wird.

    Angst in dem Moment zu begreifen, dass es einem selbst so gehen wird, dass der Tod das endgültige gehen ist.

    Die Kontrolle über die Gefühle zu verlieren, zusammen zubrechen ob des Schmerzes, der Verlust der einen dann mit voller Macht trifft.

    Ohnmächtig daneben zu sitzen, nichts tun zu können und zu sehen wie das Leben geht.

    Viele Menschen schieben diese Gedanken, diese Momente von sich weg, weil es - glaube ich - die unkontrollierte ANgst vor dem eigenen Tod aufzeigt.

    Ich wünsche dir Kraft auf deinem Weg und ich finde deine Entscheidung mutig, deinen Freund nicht alleine zu lassen in dem Moment. Denn ich denke, er fühlt es, dass er nicht alleine ist.

    Dieser Moment steht auch mir bevor, denn ich werde meinen Mann nicht alleine auf die andere Seite gehen lassen, sondern werde seine Hand halten.

    Spiegelungen einer anderen Zeit, sind in meine Gedanken gemalt, in mein Herz geschrieben und für immer in meiner Seele
    Michael Traveler aus Reflections

    "Was haben Sie denn in Ihrem Leben schon groß auf die Beine gestellt?" "MICH ! Immer wieder"

    *Netzfund*

  • Wir können letztlich nur mutmaßen, was die genauen Gründe sind das seine Eltern und Freundin nicht dabei sein möchten.

    Vielleicht haben sie Angst das dieses letzte Bild wie er seinen letzten Atemzug macht sich zu sehr ins Gedächtnis prägt und andere Erinnerungen überdeckt. Vielleicht hadern sie auch mit der Entscheidung, dass die Maschinen abgestellt werden sollen und klammern sich an einen nicht vorhandenen Funken Hoffnung, dass doch noch alles gut wird. Gedanken oder Hoffnungen können in so einer Situation auch mal irrational werden.


    Einen geliebten Menschen so direkt greifbar und absehbar in den Tod zu begleiten ist nicht einfach. Ich habe damals bei meiner Oma die Hand halten können als sie starb und später dann bei einigen Menschen aus beruflicher Situation, wo nicht immer Angehörige oder Freunde da waren. Keine dieser Situationen habe ich bereut. Es ist ein sehr bewusster Abschied und ein Moment den man nicht vergisst. Es kann aber auch helfen beim Trauern. Dass was du ja sagst, das du denkst, es könnte deinem eigenen Trauerprozess helfen.

    Nicht immer ist es möglich, dass jemand beim Sterben dabei sein kann. Manche Menschen möchten das auch gar nicht. Aber da wirst du deinen Freund am besten einschätzen können.


    Konnte seine Freundin inzwischen mit den Ärzten sprechen?

    Ich kann mir kaum vorstellen, dass man dir das verwehrt, hoffe aber für dich das du da inzwischen eine positive Rückmeldung bekommen hast.

    Ich wünsche dir viel Kraft für diese Situation.


    Momentan ist es wahrscheinlich nicht das richtige Gesprächsthema und ich weiß auch nicht, wie dein Verhältnis zu seinen Eltern und seiner Freundin ist. Aber vielleicht bekommst du irgendwann die Gelegenheit mit ihnen darüber zu sprechen. Ich kenne diese Menschen nicht, aber ich würde ihnen erst einmal nichts böses unterstellen wollen. Vielleicht können sie dir irgendwann ihre Gründe selbst erklären.

    "Sometimes I remember the darkness of my past
    Bringing back these memories I wish I didn't have
    Sometimes I think of letting go and never looking back
    And never moving forward so there'd never be a past
    "
    (Linkin Park - Easier to run)

  • Schon am Montag war DER Tag,

    Ich war ab 13 Uhr bei ihm und um 17.48 ging er dann auf die andere Seite.

    Ich bin erfüllt mit Dankbarkeit dafür, daß ich ihn begleiten durfte.

    Wenn die Menschen mehr über den Tod wüssten,
    wäre die Erde ein verwaister Ort.

  • Toll für deinen Mut und vielen herzlichen Dank, dass du deinen besten Freund begleitet hast bei dem Übergang. Er wusste ganz bestimmt, dass du an seiner Seite warst.

    Und nun erhole dich gut möglichst davon.

    Die Therapie braucht uns, damit die Welt uns versteht. Und dadurch die Welt offener werden kann. Wir können die Welt nach vorne bringen. Die Welt kann uns nicht nach vorne bringen.

    (Axel)


    Ohne zu wissen, dass die Zeit gekommen ist, wirst du mich eines Tages nicht mehr wiedersehen.
    (Unbekannt)


    Begrenzt ist das Leben, unendlich die Ewigkeit.

    (Spruch vom Floristen)


    Der Kummer, der nicht spricht,

    nagt am Herzen, bis es bricht.

    (William Shakespeare)

  • Nebelwesen ich glaube, dass das für Deinen Freund ganz wichtig war, dass Du bei ihm warst. Und ich glaube auch, dass das etwas sein wird, was Dich immer wieder ein bisschen im Trauerprozess "tragen" kann.

    Es ist gar nicht so vielen Menschen "vergönnt" (weder Sterbendem noch Angehörigen) diesen letzten Weg miteinander zu gehen.

    Alle Kraft der Welt für die kommende Zeit!

    Der Tod ist gewissermaßen eine Unmöglichkeit, die plötzlich zur Wirklichkeit wird. (Goethe)

  • Danke Moon

    und ja diese Dankbarkeit für die letzten gemeinsamen Stunden "Hand in Hand"

    überwiegt der Trauer. Sie kommt in Schüben,

    aber die Dankbarkeit ist vollkommen und ganz in mir verankert.


    Das hat nachhaltig was mit mir gemacht, etwas positives

    ich kann das nur noch nich so greifen,

    aber irgendwas is da in mir.

    Wenn die Menschen mehr über den Tod wüssten,
    wäre die Erde ein verwaister Ort.

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