Opa *27.06.1924 verstorben: 20.02.2002
Sein Tod hat mich dann schon wesentlich mehr mitgenommen. Vor allem weil wie schon oben erwähnt der Kontakt einfach häufiger war und dadurch das Verhältnis auch enger. Irgendwie ist man jeden Tag mal bei Oma und Opa gewesen.
Mein Opa war herzkrank. Schon mit 27. Die Ärzte die gesagt haben er lebt nicht lange hatte er alle überlebt.
Ich erinnere mich noch so gut an eine Situation ein paar Jahre vor seinem Tod. Er musste ins Klinikum weil er eine neue Herzklappe benötigte. Abends vorher versammelte sich die ganze Familie bei Oma und Opa. Kinder, Schwiegerkinder und wir Enkel. (was ne ganze Menge Leute waren, da meine Mutter sieben Geschwister hat) Zuerst waren wir Enkel dran uns von Opa "zu verabschieden" Ich verstand nicht warum das sein sollte. Er ging ins Krankenhaus. Er würde doch wiederkommen. (kam er ja auch) aber dieses ihm dann "tschüss" sagen zu müssen kam mir vor wie was endgültiges und machte mir Angst. Mein Bruder und ich gingen dann schon nach Hause nachdem wir an der Reihe waren. Mein Bruder setzte sich vor den Fernseher, er war eh noch zu klein um die Tragweite zu begreifen wahrscheinlich, und ich? Ich saß in der Küche und hab geheult. (Denke das war wo ich ca 9 oder 10 Jahre alt war. Älter kann ich nicht gewesen sein. Denn diese Erinnerung ist eine der wenigen die ich von vor dem Missbrauch aus meiner Kindheit habe und der Missbrauch begann mit 11)
Auch so war Opa einfach toll. Ich weiß noch wenn wir lockere Zähne hatten. (Milchzähne) Dann hieß es immer geh mal Opa zeigen. Mund aufgemacht Opa gezeigt und schwups war der Zahn draussen. Und er hat uns immer gekitzelt bis wir vor lachen nicht mehr konnten. Hab sogar schon einmal vor lachen in die Hose gemacht gehabt.
Meine Opa hatte Brieftauben. Und wer weiß vielleicht hab ich auch deswegen Vögel gern. So daß ich selber jahrelang immer mal wieder zwei oder mehrere Wellensittiche hatte.
Zwei Tage vor seinem Tod, montags, war ich noch bei ihm im Krankenhaus. Er lag schon allein auf dem Zimmer, weil irgendwie klar war er würde das Krankenhaus wohl nicht mehr verlassen. Er hielt meine Hand. Und wollte sie nichtmal los lassen als dann noch meine Tante mit meiner Oma kam. Und die anderen Tage nahm er immer direkt Omas Hand. Ob er schon mehr wusste als ich? Ich versprach ihm am nächsten Tag wieder zu kommen. Doch am nächsten Tag ging es mir nicht gut und ich schaffte es nicht ins Krankenhaus. Mittwochs morgens starb er dann früh morgens. Und ich? Ich hatte mein Versprechen nochmal wieder zu kommen gebrochen. Habe mich viele Jahre deswegen fertig gemacht. Aber das bringt ja auch nichts. Ja ich war nicht mehr da gewesen. Aber an dem Tag wo er meine Hand schon nicht loslassen wollte, hatte er vielleicht seinen Abschied von mir.
Sein Tod tat mir so weh, aber ich konnte einfach nicht weinen. Erst auf der Beerdigung als sie seine Tauben fliegen liessen, kamen die Tränen. (das ist bei den Brieftauben Leuten so üblich gewesen die Tauben auf der Beerdigung fliegen zu lassen, sie waren natürlich schon an den neuen Taubenschlag gewöhnt und flogen dann dahin zurück) Aber es waren eben die Tauben von meinem Opa.
Einige der Leute die meine Geschichte kannten rieten mir ab zur Beerdigung zu gehen, denn mein Cousin, der mich die vier Jahre missbraucht hatte in meiner Kindheit, würde ja auch dort sein. Aber ich entschied mich dafür trotzdem hinzugehen. Ich wollte mir den Abschied von meinem Opa nicht nehmen lassen.
Wer konnte schon ahnen, daß es genauso auskam, daß er auf dem Friedhof genau hinter mir stand und beim Beerdigungskaffee schräg gegenüber saß und das bei fast 100 Gästen. Echt toll. Hab danach auch mächtig dran zu knabbern gehabt. Flashbacks, Alpträume das volle Programm und es ging mir immer schlechter bis es dann im November 2002 wieder in nem Suizidversuch gipfelte. Aber zurück zum Thema.
Am Tag seines Todes schrieb ich ein Gedicht.
Opas Tod
So lange musste er leiden,
nun ist er tot und ich würde gerne weinen.
„Morgen komme ich wieder“, habe ich Montag noch versprochen,
doch Dienstag habe ich mein Versprechen gebrochen.
War so fertig und bin nicht hingegangen,
heute ist er gestorben und alle Chancen vergangen.
Konnte nicht mehr sagen: „Hab dich lieb!“
Keine Zeit mehr, die mir blieb.
Zumindest muss er jetzt nicht mehr leiden,
aber warum nur kann ich nicht richtig weinen?
Es tut doch so sehr weh,
noch mehr, wenn ich meinen Cousin auf der Beerdigung seh.
Der innere Schmerz wird immer mehr.
Mein Opa fehlt mir schon jetzt so sehr.
Wie alle sagen, hatte er keine Schmerzen.
Aber er hat für immer einen Platz in meinem Herzen!
© 2002-02-20
Nach der Beerdigung schrieb ich die Beiden folgenden:
Die Beerdigung
„Geh lieber nicht hin“, sagten mir viele vorher noch,
aber ich entschied mich anders und ging doch.
Nun bereue ich es sehr
die Alpträume werden immer mehr.
Ich konnte nicht glauben, dass in dem Sarg echt mein Opa sein sollte,
was hatte nur meine Meinung geändert, so dass ich doch zur Beerdigung wollte?
Es war so traurig als sie seine Tauben fliegen ließen,
endlich begannen ein paar meiner Tränen zu fließen.
Auf dem Friedhof, direkt hinter mir stand mein Cousin
konnte nur warten, dass die zeit am Grab zu ende ging.
Mir war so schlecht und ich dachte ich kippe gleich um,
warum stand, von so vielen Verwandten, ausgerechnet er hinter mir rum?
Die Erinnerungen und Gefühle der Angst strömten auf mich ein.
Warum nur muss mein Leben dauernd von Pech begleitet sein?
Auf dem Friedhof musste ich lange vor ihm stehen,
in der Kirche zweimal genau hinter ihm gehen.
Auch danach war mein Pech noch nicht vorbei.
Aber wie sollte es auch anders sein?
Beim Kaffee gab es über hundert Plätze,
doch er musste sich mir fast gegenüber setzen.
Ich versuchte alles um seine Gegenwart zu ignorieren
es ging nicht wirklich und ich konnte kaum mein Brötchen schmieren.
Ganz zu schweigen davon, es anschließend auch noch zu essen,
meine Mutter machte es mir noch schwerer seine Anwesenheit zu vergessen.
Nach dem Kaffee gingen wir noch mal alle am Grab vorbei,
zum Glück war mein Cousin da nicht mehr dabei.
Nun ist die Beerdigung drei Tage her,
aber all die Erinnerungen quälen mich so sehr.
© 2002-02-26
Gefühle des Kindes
Die Erinnerungen quälen mich so sehr
und auch die Alpträume werden immer mehr.
Die ganzen schrecklichen Bilder sind wieder so nah
und auch das Kind von damals ist wieder da.
Alle meine Gefühle sind die des Kindes.
Angst,Traurigkeit, Verzweiflung
und vor allem diese furchtbare Erinnerung.
Ich will diese Gefühle nicht haben,
denn ich kann sie kaum ertragen.
Es sind nicht meine, sondern die des Kindes.
Ich kann kaum noch mit jemandem reden,
denn das Kind stellt sich dem entgegen.
Ich, die Erwachsene, hat zwar gelernt zu vertrauen,
doch das Kind sagt mir: „DU KANNST KEINEM TRAUEN!“
Das ist die Erfahrung des Kindes.
Ich bin im Moment so hin und her gerissen,
zwischen alten Gefühlen und meinem heutigen Wissen.
Es ist lange schon vorbei und wird nicht mehr geschehen,
aber das Kind fühlt sich als wär es erst gestern geschehen.
Angst, Traurigkeit und Verzweiflung sind die Gefühle des Kindes.
Aber auch meine Gefühle, denn ein Teil von mirist noch das Kind das ich damals war.
©2002-03-15
So viel erstmal zu Opas Tod.