Ich schäme mich für...

  • in dem mittelmäßigen SachHörbuch , das ich gerade hörte, kam, während ich kochte, folgende Passage:


    "(...) und es gibt den Teil von Scham, der mit Bindung und Verbindung zu tun hat. Die neuere Forschung interessiert sich für den Zusammenhang zwischen Kontaktbedürfnis und Bindung von Säuglingen zu einer Kontaktperson und datiert das Entstehen von Schamgefühl auf den Entwicklungszeitraum zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr, auf den Zeitpunkt, ab dem Kinder kognitiv in der Lage sind, zwischen sich und anderen Menschen zu unterscheiden. Es handelt sich dabei um eine Scham, die mit Zurückweisung einhergeht, damit, dass die Bezugsperson, deren Blick wir suchen, den Blick von uns abgewendet hat. Eine Person, von der wir es erhoffen oder erwarten, gibt uns nicht, was wir gerade brauchen und damit resultiert die empfundene Scham aus der Diskrepanz zwischen einem Bedürfnis und dem, was das Gegenüber tut oder eben nicht tut.

    Scham hat ihren Ursprung gerade nicht darin, dass man etwas verbotenes tut oder ist, sondern im Abreissen der Kommunikation. Sie entsteht in dem Moment, wo die Verbindung zum anderen nicht mehr selbstverständlich und die eigene Abhängigkeit entsetzlich deutlich ist." (C. Koschmieder)


    Das hat mich übertrieben getroffen. Ich musste mich erst mal hinsetzten und traurig sein.

  • Zitat

    Es handelt sich dabei um eine Scham, die mit Zurückweisung einhergeht, damit, dass die Bezugsperson, deren Blick wir suchen, den Blick von uns abgewendet hat. Eine Person, von der wir es erhoffen oder erwarten, gibt uns nicht, was wir gerade brauchen und damit resultiert die empfundene Scham aus der Diskrepanz zwischen einem Bedürfnis und dem, was das Gegenüber tut oder eben nicht tut.

    das klingt sehr plausibel. Scham hat zumindest später auch viel mit dem Blick des anderen zu tun.

    Allerdings wird Scham (in den Texten, die wir gelesen haben) üblicherweise als „reifere“m komplexere und damit „spätere“ Emotion konzipiert, auch wenn sie zeitlich vor der Entwicklung des Schuldgefühls angesetzt zu werden scheint. Scham bezieht sich ja auf einen bedrohten Selbstwert; sie besagt, dass man so, wie man ist, falsch sei.Das Kind muss darum eine gewisse Entwicklungsstufe (meist um das 3. LJ, so wird es angegeben) erreicht haben, um Scham - zumal bewusst, nicht nur als körperliche Empfindung, die es nicht zuordnen kann - empfinden und von Schuld (die besagt, dass man etwas Falsches/Verbotenes getan hat) unterscheiden zu können.

    Vielleicht geht es hier um die Ursprünge, d.h. die ersten Ansätze von Scham, die sich im Weiteren (bei entsprechender Wahrnehmung und Entwicklung) zu einem zu bewusst gefühlten Schamgefühl weiterentwickeln.

    Ich z.b. kann allenfalls für wenige Erinnerungsmomente und im Nachhinein annehmen, dass ich damals Scham verspürt haben dürfte, ohne das bewusst wahrgenommen bzw. verstanden zu haben. Für alle anderen Erinnerungen existiert kein auch nur hypothetisches Schamgefühl, und inzwischen bin ich mir ohnehin zu stark entfremdet, als dass ich irgendetwas anderes als diffuse Affekt empfinden könnte. Das soll charakteristisch für Frühstörungen bzw. manifeste Bindungsstörungen, die sich bereits im ersten Lebensjahr entwickeln, sein. Insofern verwundert die zeitliche Angabe in deinem Textausschnitt etwas.

  • Vielleicht geht es hier um die Ursprünge, d.h. die ersten Ansätze von Scham

    ja, das ist wohl gemeint.

    natürlich kann ich mich nicht an meine Gefühle ums erste Lebensjahr erinnern, aber die Tatsachen, die nicht leugbaren Fakten, hat man mir zugetragen.

    die vernichtenden Gefühle dazu hab ich erst in einer beschämenden Reinszenierung kennengelernt

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!