Hallo liebe Foruminaner,
ich möchte mich "outen" und euch erzählen, was mir "schwarz sein" und dieses Konstrust namens Gothic bedeutet.
Los geht es: Ich war schon als Kind anders, spielte lieber alleine und hatte Fantasiefreunde. Auch im Kindergarten hatte ich nur eine beste Freundin, mit der ich am liebsten spielte. Als ich circa 6 Jahre alt war und wegen einer Fuß-OP ins Krankenhaus musste, wurde mir zum ersten Mal meine Sterblichkeit bewusst. Ich fühlte zum ersten Mal die Angst vor dem Tod und die Einsamkeit im Krankenhaus. Die OP habe ich gut überstanden, alles lief bestens, nicht einmal das Fädenziehen hat mir weh getan. Trotzdem blieb die Angst vor dem Tode immer bei mir im Hinterkopf.
Die Jahre vergingen, ich war bereits im Kindergartenalter eine Leseratte und als ich in die erste Klasse kam (1999), war der erste Harry-Potter-Band schon eine Weile draußen. Also tauchte ich ganz tief in die Welt von Harry, Hermine und Ron Weasly ein, wurde mit den Zauberschülern immer älter (ein schönes Gefühl! :)) und prägte so meine Vorliebe für Fantasy. Fantasy und das Fühlen von fantastischen und mystischen Welten ist für mich ein großer Aspekt von Gothic, seine Inhalte beziehen sich manchmal auf fantastische Inhalte (z.B. die Gothic-Rock-Band "Stimmen der Stille", die genauso heißt wie das mystische Orakel aus Michael Endes´ Unendlicher Geschichte) oder haben eine weit der Welt entrückte Atmospähre in sich enthalten (Beispiel: Dead Can Dance Album "Anastasis").
Ein weiterer Aspekt von Gothic ist das Hinterfragen dieser Welt, das anders sein in einer Welt, in der sich die Menschen immer mehr anpassen. In einem Gothic-Forum formulierte ein User es so: "Ich möchte wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält." Ein schönes Ziel finde ich, das Zulassen und die wachsende Akzeptanz des Todes, welche dir Gelassenheit und innere Ruhe geben kann, die Beschäftigung mit okkulten, religiösen oder heidnsichen Inhalten, die einen alternativen Blick auf dieses Leben geben kann.
Die Musik ist und war ein wichtiger Faktor, es steht die ganze Bandbreite der Emotionen offen, besonders wichtig ist das Zulassen der in unserer westlichen Gesellschaft verdrängten "negativen" (?) Emotionen wie Angst, Trauer, manchmal auch Wut und Hass, welche wir möglichst nicht zeigen sollen. Die Musik ist der Katalysator dieser Gefühle und dient als Identifikationsmerkmal. "Du sprichst meine Gedanken aus.", "Genau das habe ich mich auch gefragt.", "Wir denken/fühlen das Gleiche."
Andere Inhalte gibt es natürlich auch, Kunst im allgemeinen Sinne, Literatur, Poesie, Malerei, Fotografie etc. Wenn man will, kann man ein "erfültes Leben" führen.
Ich habe das Gefühl, dass es im Laufe der Geschichte in gewissen Zeiten eine Anhäufung von Grufties gegeben hat, so z.B. während der Zeit der europäischen Romantik und der "Gothic Novels" (!) um 1800, während der Zet de Expressionismus um 1900 (also kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges, besonders sensible Menschen haben wohl gespürt, dass Europa bald ein Schlachtfeld sein wird), Kafka, Herrmann Hesse, Sylvia Plath, Georg Trakl, Fjodor Michalowitsch Dostowjewski (die Liste ließe sich beliebig weiterführen), alles Grufites oder zumindestens "verwandte Seelen". Das zeigt, das dieses seit 1979 bestehende Konstrukt namens Gothic keine wirkliche Zeitspanne kennt, "schwarze Seelen" gab es zu jeder Zeit und in jedem Jahrhundert.
Was für mich diesen "schwarzen Zauber" ausmacht, ist dieses Gemeinschaftsgefühl auf Partys und in manchen Foren, es genügen Blicke und man versteht sich, man tanzt wie in Trance in einem schwarzen Kokon eingehüllt gemeinschaftlich und doch völlig alleine in einer schwarzen Transzendenz. Die meisten brauchen keine Drogen, wir alle und die Musik sind unsere Droge. Es lässt sich schwer in Worte fassen, dieses Erlebnis, deswegen nur mein "Gestammel" hier.
Ich hoffe, ich konnte mich wenigstens etwas erklären.
Vielleicht möchte ja jemand anderes hierzu was schreiben, ich würde mich sehr über euer Feedback freuen.