Alleinsein. Für viele Menschen bedeutet es Einsamkeit, für mich ist es das, was ich mir am sehnlichsten Wünsche.
Ich bin schon immer ein Außenseiter. Zwar hatte ich zeitweise cliquenartige Freundschaften während eines Internataufenthaltes nach der Schule, aber nach ca. einem Jahr waren mir die seifenopergleichen Dramen einer solchen "Freundschaft" zu viel.
Lange Zeit habe ich versucht, Anschluss an die Gesellschaft zu finden - in jeglicher Form - und in jeder Hinsicht bin ich immer wieder gescheitert.
2014 war ich schließlich in einer therapeutischen Maßnahme vom Amt, die ich als wertvoll ansehe. In dieser Zeit habe ich die Erkenntnis erlangt, dass es für mich angenehmer ist, wenn ich keinen Bekanntschaften und Freundschaften mehr nacheifere. Es war nicht nur eine traurige Verzweiflungserkenntnis, es war wie eine befreiende Erleuchtung.
Leider nützt mir diese Erkenntnis nicht viel, da ich nach wie vor verpflichtet bin, mich am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. Ich bin im Fallmanagment der ARGE (das ist der Bereich, wo die scheinbar hoffnungslosen Fälle landen) und habe nicht den üblichen Druck der Arbeitssuche, aber dennoch ist das Ziel des Fallmanagments, mich wieder in den üblichen Arbeitssuchenden-Sektor überweisen zu können, mich also auf das Arbeitsleben vorzubereiten.
Also muss ich dennoch an mir arbeiten (womit ich schon lange vor meiner Arbeitslosigkeit begonnen habe). Sprich, ich muss mich immer wieder in Situationen begeben, in denen ich mich nicht wohlfühle, um zu lernen, damit klar zu kommen.
Leider habe ich bislang noch niemanden gefunden, der mir hilfreiche Strategien beibringen kann.
Ich sehe ein, dass dies wichtig ist - auch für mein eigenes Selbstwertgefühl, was ich mir zwar schon oft selbst mittels psychologischer Tricks aufbauen konnte, aber nie zu halten vermochte. Momentan ist davon mal wieder überhaupt nichts übrig und ich habe das Gefühl, dass es immer schlimmer wird. Also ist es wichtig, dass ich weiter daran arbeite, um nicht komplett krachen zu gehen. Zumindest solange wie meine Tochter mich braucht.
Allerdings zehren die vielen sozialen Kontakte (die schon lange nicht mehr so viele sind, wie für normale Menschen, normale Menschen würden in meiner Situation vereinsamen) und Verpflichtungen an mir. So sehr, dass ich merke, wie ich mich immer öfter nach Einsamkeit sehne.
Meine Tochter ist schon seit ca. 2 Jahren regelmäßig für ca. 3 Tage bei ihrer Oma. Das hat den Grund, dass ich keine Strukturen aufbauen und halten kann. Bei meiner Mum lernt meine Tochter all die Dinge, die ich ihr nicht beibringen und bieten kann und erfährt durch die Stabilität ja auch mehr Sicherheit. Ich bin dazu nicht in der Lage und habe bisher auch noch niemanden gefunden, der mir dies beibringen kann.
Mir hilft es aber auch, die Kraft für meine Tochter nicht vollkommen zu verlieren.
Diese Regelung mit meiner Mutter stammt nicht von einem Amt. Ich habe viel zu viel Angst, dass das Amt mir meine Tochter wegnehmen würde. Was ich sogar für gut heißen würde, wenn ich vertrauen zu denen hätte. Wenn ich glauben könnte, dass sie meiner Tochter tatsächlich eine bessere Kindheit bieten könnten, hätte ich mich schon längst um Hilfe Bittend an das Jugendamt gewendet. Ich bin eine katastrophale Mutter, aber durch meine Sensibilität und mein großes Verständnis für mein Kind, kann ich ihr (auch mithilfe meiner Mutter) vieles bieten, was sie in einem Heim oder bei Pflegeeltern nicht bekommen würde. Ihre Klassenlehrerin versteht sie ja auch nicht - und hat für mein Empfinden generell sehr geringe pädagogische Fähigkeiten.
Was mir nun aber zunehmend Sorgen bereitet und was der Grund dieses Threads ist, ist mein zunehmendes Bedürfnis nach dem Alleinsein. Ich habe meinen Freund bereits gebeten, dass wir uns nicht mehr so oft sehen, da ich auch in diesem häufigen Kontakt eine Überforderung meiner Gesellschaftsfähigkeit vermute. Aber auch der Umgang mit meinem Kind wird immer schwieriger.
Am Freitag waren wir an zwei Schulen, die beide am gleichen Tag einen Tag der offenen Tür (TdoT) gestalteten (so wie die anderen 4 Schulen ebenfalls diese Tage für jeweils 2 Schulen auf den gleichen Tag legten), um uns einen besseren Eindruck der Schulen zu machen. Am Samstag boten gleich am Vormittag die letzten beiden Schulen ihren TdoT. Eine davon war mir besonders wichtig, da sie sehr nah war - aber ich hatte keine Kraft mehr. Schon am Abend zuvor, als wir das letzte Gebäude verließen, und die Tarnung der geselligen Steph fiel, fühlte ich mich extrem erschöpft. Auf der Heimfahrt war ich wie ein Zombi und das Aussteigen aus dem Auto fiel mir unendlich schwer.
Ich hoffte, das die nächtliche Erholung reicht. Das war leider nicht der Fall. Ich fühlte mich seelisch kein bisschen erholt am nächsten Morgen und mir graute es davor, zu den Schulen zu fahren. Um überhaupt was zu schaffen, strich ich die 2. - die weniger wichtige Schule - aus meinen Besuchsplänen, aber es war mir nicht möglich, mich zu überwinden.
Schließlich steckte ich meine letzte Hoffnung in die Ablenkung des Schreibens. Ich schrieb hier meine Vorstellung und plante, gegen 11 Uhr zur Schule zu fahren, um den Druck von mir zu nehmen. Beim schreiben kam tatsächlich meine Energie zurück, ich fühlte mich am Ende meines Textes schon viel besser, aber kaum dass ich mein Handy (auf dem ich schrieb) weglegte, kam das grauenhafte Gefühl zurück.
Letztlich bat ich meine Mutter, mit meiner Tochter zur Schule zu fahren, damit wenigstens meine Tochter sich einen Eindruck machen konnte.
Mir ging es den ganzen Tag schlecht, obwohl der Ausflug längst abgehakt war. Möglich, dass meine an diesem Tag kommende Menstruation auch etwas damit zu tun hat. Ich kann das schwer beurteilen. Ich war jedenfalls nicht fähig, mich mit meiner Tochter zu beschäftigen.
Auch heute ging das nicht. Sie schlief bei mir im Bett, damit sie wenigstens etwas Führsorge erlebt. Knuddeln und streicheln ist das einzige, was ich in solchen Momenten ertrage und somit bieten kann. Sobald geredet wird, überfordert es mich schon wieder.
So bin ich nicht die ganze Zeit, aber doch zu oft
Inzwischen ist sie bei ihrer Oma und ich hoffe, dass ich am Mittwoch wieder offener für sie sein kann. Als sie heute weg war, war ich unendlich erleichtert, endlich allein zu sein. Bis Mittwoch werde ich mich nur auf einen Kontakt einlassen, ein Termin, den ich am Montag mit der Pädagogin meiner aktuellen Maßnahme habe, ansonsten will ich allein bleiben, um aufzutanken. Ich war lange nicht so lange allein. Immer will mein Freund bei mir sein. Umso schlechter es mir geht, umso mehr will er für mich da sein. Aus Sicht normalgeselliger Menschen ist das sicher richtig und gut, aber ich scheine meine Tanks zu entleeren, wenn ich Leute um mich habe, somit erhole ich mich dann auch nicht, wenn mein Freund für mich da ist. Umso schlechter es mir geht (egal ob seelisch oder körperlich), umso mehr hilft es mir für meine Genesung, wenn ich allein bin. Nach 2 Jahren Beziehung kann mein Freund das immer noch nicht verstehen - aber aktuell akzeptiert er es.